DTHG vor 100 Jahren – 1923 (2)
4. Februar 2023DTHG auf der ISE 2023 in Barcelona
6. Februar 2023
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So oder so?
Woher wollen Sie wissen, dass dieser Text nicht von diesem neuen Wunderwerk, Chat-GPT geschrieben wurde?
Das Feuilleton ist derzeit so aus dem Häuschen – in der Süddeutschen spricht man schon von einer Revolution – wie lange nicht mehr. Denn diese Software könne Texte verfassen, mit denen man eine Bacchelor-Prüfung bestehen würde, Gedichte, die bei einem Lyrikwettbewerb Gewinnchancen hätten, Liebesbriefe, die Herzen erweichen und Korrespondenzen, die Empfänger beeindrucken würden.
Nun bricht das Zeitalter an, nachdem der Mensch sich das Denken erfolgreich abgewöhnt hat, in dem er sich auch nicht mehr quälen müsse, halbwegs verständliche Sätze in die Tastatur zu hämmern, ohne sich allein schon durch mangelhafte Grammatik und Orthografie geschweige denn durch Geistlosigkeit verraten zu müssen,
Dass diese Diskussion auf einem Niveau höchster Banalität und Bedürftigkeit geführt wird, versteht sich beinahe von selbst.
Denn:
- wenn einer Prüfungskommission ein von einem BOT verfasster Text zur Erlangung eines Bacchelors genügt, sagt das nichts über den Text, aber alles über unser Bildungssystem aus;
- wer von Software verfasste Gedichte bewundert, offenbart nur, dass er nie Lyrik von Fontane, Goethe, Trakl oder Wilhelm Busch gelesen (und auswendig gelernt) hat oder Shakespeares Sonette kennt;
- wen eine Computer-Korrespondenz glücklich macht, las nie Alfred Kerr, Charles Louis Mencken oder Harald Martenstein.
Will sagen: Die Auflösung oder Entzauberung dieses sagenumwobenen Chat-GPT-Gedöns ist ganz einfach:
- Das Problem sitzt immer vor dem Computer.
- Man gebe einem Menschen ein Blatt Papier, einen Stift und 20 Minuten Zeit (und Stille).
Nach Ablauf dieser Frist weiß man mit Sicherheit, dass das Ergebnis von einem Menschen geschrieben wurde, ja man ahnt auch sogar, wessen Geistes Kind er oder sie ist. So oder so.
Hubert Eckart
Kinder, ihr müßt euch mehr zutrauen!
Ihr laßt euch von Erwachsenen belügen
Und schlagen. — Denkt mal: Fünf Kinder genügen,
Um eine Großmama zu verhauen.
Joachim Ringelnatz, der sein einziges Theaterstück in meiner Geburtsstadt Nordhausen aufführte, und bei dem die Phantasie hoffnungsfroh Kabolz schlug…
Ehrlich gesagt, kann ich auf alles carnivorische gut verzichten, aber bei einer gut gemachten Bullette oder einer richtigen, edlen Thüringer Bratwurst läuft mir regelmäßig das Wasser im Mund zusammen.
Beides darf man in keinem Fall mit Ketchup runterwürgen, sondern muss sie unbedingt mit einer reichlichen Menge Senf genießen, wobei sich der scharfe Senf aus “Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben” absolut nicht dafür eignet.
Am besten eigenet sich nach wie vor der Original Senf aus Thüringen. Da steckt auch das unbedingt nötige Estragon drin, ohne den Senf wie alkoholfreies Bier schmeckt.
Das Thüringen durch die Anwesenheit zweier in Kultur konkuriender Fürstenhäuser nicht nur die Theater, sondern auch die Literatur revolutionierte, spricht auch insbesondere für die Bratwurst. Bei dem großen Bratwurststreit der 2000er Jahre wurden Goethe und Schiller vor dem Nationaltheater denn auch mit der edlen Wurst behängt, ohne dass sie Anstoß nahmen.
Goethe selbst erklärte sich kurzerhand zum schlechten Reiter und wollte es bei Gelegenheit ganz aufgeben, ein Unding zu seinen Zeiten, aber die Flucht nach vorn bei den ewigen Klugscheißern (..die Schreiber sind hier ausgenommen!) rettete ihn vor den unerwünschten Gesprächen.
So denkt ein Dichterfürst:
Das Sonett Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben, Ist heilge Pflicht, die wir dir auferlegen. Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben. Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben, Wenn sich die Geister gar gewaltig regen; Und wie sie sich denn auch gebärden mögen, Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben. So möcht ich selbst in künstlichen Sonetten, In sprachgewandter Mühe kühnem Stolze, Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen; Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten. Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze, Und müßte nun doch auch mitunter leimen. Das Sonett Sich in vielfältigem Kunstgebrauch zu üben, Ist Bürgers Pflicht, die wir euch auferlegen. Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen Zu Fuss, mit Öffis- grad wie es vorgeschrieben. Denn die Beschränkung läßt sich lieben, Wenn sich die Züge gar gemächlich regen; Und wie sie dich denn auch in viele Meetings treiben lassen mögen, jegliches Tun am Werk zuletzt ist doch noch in der Diskussion… So möcht ich selbst in vielen Arbeitskreisen, In sprachgewandter Mühe kühnem Stolze, Das Beste, was Gefühl und Verstand mir sage, vorerzählen und bewegen, was stets statisch scheint. Nur weiß ich hier mich nicht recht bequem zu betten. Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze, Und müßte nun doch auch mitunter leimen. t
Wesko Rohde