
Firmenjubiläum: 20 Jahre Pan Acoustics
18. Oktober 2022
Ein Institut für Kulturbauten?
20. Oktober 2022Im Bürgerbüro der Stadt, in der ich gerade lebe. 12:00 Uhr, EG: Beantragung eines neuen Personalausweises
12:45 Uhr, erste Etage: Beantragung des neuen Führerscheins
Unten sitzt Frau Müller und im Amtsraum direkt darüber Frau Schulze. Zwei Frauen ganz nah beieinander und doch Äonen voneinander entfernt. Trennen sie auch nur 3 Meter Luftlinie, so ist doch die Trennung der unterschiedlichen Abteilungen, in der die eine den Personalausweis und die andere den Führerschein ausstellt, größer als mein Fassungsvermögen es zulässt. Von Etage zu Etage treffen zwei Welten und zwei Formate digitaler Arbeitsweisen aufeinander. Frau Müller und Frau Schulze kennen sich nur von Betriebsversammlungen. „Seien Sie bitte 5 Minuten vor ihrem Termin da“, steht auf dem Schreiben, das man von der Führerscheinstelle bekommt. 5 Minuten vorher sitze ich pünktlich auf meinem Platz im eisigen 19 Grad Flur, der wahrscheinlich nur 14 Grad hat. Eine junge Frau schüttelt sich fröstelnd, als sie den Gang aus einem der Büros kommend hinuntergeht. Sieben Bürotüren, ungeheure Ruhe, kein Publikum. Die Türen öffnen sich, eine Person kommt aus der Amtsstube, schließt die Tür ordentlich ab und verschwindet in der kleinen Teeküche, um dann mit einer Tasse mit Aufdruck ÖTV und dampfendem Kaffee zurückzukommen und – das Büro aufschließend – wieder in ihrer Kammer zu verschwinden. Wieder völlige Ruhe und die Personalknappheit im öffentlichen Dienst schreit aus der Stille heraus, dass mir noch eisiger wird. Das waren noch die goldenen Zeiten von Monika Wulf-Matthies bevor die ÖTV zu Verdi wurde, denke ich bei mir. Ansonsten herrscht gewerkschaftliche Ordnung wie seinerzeit. Transformation oder Transpiration – Pustekuchen!
12:05 Uhr: Ich werde hereingerufen.
12:15 Uhr: Meine Geburtsurkunde wurde überprüft, der Stempel der Deutschen Demokratischen Republik erregt ein Naserümpfen und die Nachfrage der Nachgeborenen, die gibt es doch gar nicht mehr. Ich sage: „Die DDR gibt es nicht mehr, aber mich gibt es und ich bin dort geboren. Da war es die DDR. Tut mir leid, mir war es auch nicht recht.“ Für den Personalausweis bekomme ich eine Zahlkarte, für den Führerschein auch. „Können Sie das nicht beides auf eine Karte machen, dann muss ich nur einmal an den Automaten?“ – „Das geht nicht: zwei Systeme. Ich habe die Regeln nicht gemacht!“, sagt die kühle Dame. Zwei Systeme – wie damals, denke ich und vermeide es, zu resignieren. Entschuldigung. Wo stelle ich hier eigentlich einen Ausreiseantrag? Ich frage unten noch einmal nach. Frau Müller machte den besseren Eindruck und sagt: „Doch, das geht ohne Probleme“, und macht es. „Übrigens“, sagt sie, „den Führerschein bekommen Sie zugeschickt, den Ausweis müssen Sie im Bürgerbüro Mitte (Das sind 6 Kilometer von hier, schreie ich still) abholen. Ist nicht meine Idee“, sagt Frau Müller.
Zwei Welten, zwei Etagen, zwei Systeme. Das Universum in der Nussschale eines Bürgerbüros.
Ich würde so gern mal etwas Positives sagen?
Feierabend! (Geht doch)
(Wesko Rohde)
Die Bürokratie wird bisweilen unterschätzt. Sie wird als lähmendes und nervendes Unwesen wahrgenommen. Doch das ist einseitig und unvollständig. Sie hat weitere Eigenschaften, die gerne im verborgenen bleiben und zu selten gewürdigt werden. Manchmal scheint die Bürokratie nämlich gar nicht zu existieren. Bei der Zulassung von eScootern, das sind diese hässlichen Plastikgefährte über die man in der Stadtlandschaft ständig stolpert und die in Büschen von Grünanlagen ein trauriges Dasein fristen, scheint es überhaupot keine bürokratischen Hürden gegeben zu haben. Nur so lässt sich erklären, dass diese Zulassung innerhalb nur weniger Wochen bundesweit (!) möglich war, das war im Jahr 2019. Allerdings scheint sich die Zulassung noch nicht bis in alle Amtsstuben herumgesprochen zu haben. Die Damen und Herren der Ordnungsämter, die sich begierig auf jedes falsch parkende Auto stürzen, nehmen eScooter gar nicht wahr. Um einen Falschparker zu fotografieren, steigen sie über mehrere kreuz und quer herumliegende eRoller hinweg – ohne geringste Konsequenz. Dabei ist der Zusammenhang beachtenswert: Wird ein Auto falsch geparkt, kriegt der Eigentümer die Knolle – egal, ob er selbst das Fahrzeug abgestellt hat oder nicht. Bei Rollern ist das nicht so. Ein Schelm, wer nun auf den Gedanken kommt, dass man bei so vielen streunenden eScootern den Eigentümerunternehmen das Geschäft damit madig machen würde. Und die überhitzte Zulassung hat rein gar nichts mit Geschäftsinteressen zu tun. Geschäftsinteressen vor Bürgerinteressen? Na, soweit kommt’s noch.
(Hubert Eckart)