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DTHG vor 100 Jahren – 1924 (Teil 1)
Zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen, 40 Jahre geteiltes Deutschland und die Coronavirus-Pandemie: Das alles hat die DTHG überlebt. 1907 von theatertechnischen Enthusiasten gegründet, erlebt der Verband derzeit eine Renaissance. Aber wie war es vor 100 Jahren? Hubert Eckart, Autor der zweibändigen Chronik der DTHG, erzählt in dieser Rubrik die Geschichte der DTHG noch einmal.
„Zu Anfang sahen die Leute das Geld verblüfft an, es war nur eine Eins darauf oder eine Zwei oder eine Zehn. Standen zwei Nullen hinter der Ziffer, war es schon ein sehr großer Schein, nein, wie komisch! Da man doch gewöhnt war, mit Milliarden und Billionen zu rechnen!
Es kamen auch wieder Münzen in den Verkehr, richtige Geldmünzen. Man sollte nicht nur mit Mark rechnen, nein, auch mit Groschen, nein, auch mit Pfennigen – es war toll! Es gab Männer, die bauten, wenn sie ihren Lohn bekommen hatten, Türmchen aus dem neuen Geld, sie spielten damit. Es war ihnen, als seien sie aus einer wilden, verdorbenen Zeit noch einmal in das Kinderland zurückgekehrt, aus dem schrecklich Verwickelten in das Einfache, Schlichte, wo die Dinge nur erst ein Gesicht haben.
Und es war seltsam, es ging ein Zauber von diesen niedrigen Zahlen, von den Münzen und den kleinen Scheinen aus. Die Menschen besannen sich – sie fingen an zu rechnen, und plötzlich ging es auf, es stimmte! Das und das verdiene ich die Woche, so und so viel kann ich also ausgeben – siehe da, es stimmte! Die Menschen hatten durch Jahre gerechnet – und es hatte nie gestimmt! Sie hatten sich von Sinn und Verstand gerechnet, in den Taschen der Verhungerten hatte man Tausendmarkscheine gefunden, der ärmste Stromer auf der Landstraße war Millionär gewesen …
Und nun erwachten sie alle. Sie erwachten aus einem wüsten, schweren, quälenden Traum. Sie standen still und sie sahen sich um. Jawohl, sie konnten stillstehen, um sich sehen, sich besinnen. Das Geld lief ihnen nicht weg, die Zeit lief ihnen nicht weg, das Leben blieb bei ihnen. Erschrocken sahen sie einander in die vertrauten, ach so fremden Gesichter. Warst du das? fragten sie zögernd. War ich das? – Es war so nahe, und doch fing es schon an, ihnen zu zergehen wie ein Nebel, ein Fiebertraum, ein Dunst …
Sie schüttelten es ab. Nein, das war nicht ich, sagten sie. Mit neuem Mut gingen sie an ihr Werk, es hatte wieder einen Sinn, zu arbeiten, zu leben.
O es war doch alles sehr, sehr anders geworden!“
(Auszug aus Hans Fallada – Wolf unter Wölfen)
Hans Fallada beschreibt treffend das Wunder der Rentenmark, welches Ende des Jahres 1923 die völlig aus dem Ruder gelaufene Hyperinflation beendete. Dies war möglich geworden, da die Besetzung des Rheinlandes beendet wurde und damit die deutsche Wirtschaft wieder über ihr wichtigstes Industriegebtiet verfügen konnte. Die deutsche Wirtschaft hatte sich für solidarisch erklärt und bürgte für das neue Geld – das aber nun nicht mehr durch ungehemmten Notendruck verwässert werden durfte.
Nach der Währungsreform vom November 1923 war Deutschland zwar seine inländischen Schulden los geworden, behielt aber die durch Reparationsleistungen entstandenen Auslandsschulden als wirtschaftliche Belastung. Um diese Verpflichtungen aus dem verlorenen Krieg zu regeln, erarbeitete der amerikanische Finanzexperte Dawes ein Gutachten, das unter der Bezeichnung: Dawes-Plan ab April in die Geschichte einging. Danach beschloss eine Londoner Konferenz eine jährliche deutsche Reparationszahlung von 2,5 Milliarden Goldmark zahlbar in Geld- und Sachleistungen. Zugleich damit erhielt Deutschland eine Auslandsanleihe in Höhe von 800 Millionen Mark sofort und weitere Auslandskredite, vor allem aus den USA, zugesagt. Dies führte zu einer gewissen Stabilisierung und einem langsamen Aufstieg der deutschen Wirtschaft. Auf deutscher Seite wurde dieses Abkommen durch den ab 1924 tätigen Außenminister Gustav Stresemann vertreten.
Auch in den Reihen der Berufsgruppe der technischen Bühnenvorstände der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (so der offizielle Titel des Verbandes) regte sich neues Leben.
Nachdem die Zollgrenze zwischen dem besetzten und nicht besetztem Gebiet gefallen ist, ist nicht nur die Wiederaufnahme alter Geschäftsverbindungen mit dem besetzten Gebiet von Interesse, sondern auch die Anknüpfung neuer Beziehungen ist von großem Wert für die Wiederbelebung von Handel und Industrie. Mit dem Aufblühen des Wirtschaftslebens aber werden die Kulturwerte, deren Träger vorzüglich das Theater ist, gehoben.
Für den April des Jahres wurde eine Reichskonferenz der Theaterarbeiter geplant, die vom Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter einberufen werden sollte.
Auch die Durchführung der 11. Bühnentechnischen Tagung wurde für den Sommer geplant, sie sollte in Frankfurt/Main stattfinden.
Ein Hinweis in der Bühnentechnischen Rundschau (BTR) galt dem in den Ostertagen zu begehenden vierzigsten Jahrestag des Bestehens des Werkmeisterverbandes, der im Jahre 1884 in Düsseldorf gegründet worden war, und der bereits 2.340 Mitglieder zählte. Im Jahre 1924 war diese Zahl auf 150.000 Werkmeister angewachsen, zu denen auch eine größere Zahl Theatermeister gehörte. Diese Situation hatte bei der Gründung der Berufsgruppe der GDBA zunächst zu Unstimmigkeiten zwischen beiden Verbänden geführt, da diese Angehörigen des Werkmeisterverbandes automatisch GDBA-Mitglieder wurden. Es wurde eine Regelung der zweifachen Mitgliedschaft gefunden, so dass beide Verbände für die Interessen dieser Gruppe gemeinsam auftraten und handelten.
Eine Frage, die heute wieder eine gewisse Aktualität besitzt. Scheuen doch Theaterbeschäftigte, die Mitglied der GDBA sind die Kosten einer Doppelmitgliedschaft in der DTHG (und umgekehrt).
Auch an zahlreichen Theatern belebte sich das Baugeschehen:
In Allenstein (Ostpreußen) wurde nach Entwurf, Bauplanung und -leitung des Architekten A. Feddersen im Berichtsjahr ein neues Theater errichtet und in Betrieb genommen.
Am Großen Schauspielhaus in Berlin wurde während der Sommerpause an der Vergrößerung der Bühne für eine große Revue gearbeitet, zu der neueste amerikanische Lichteffekte eingebracht wurden, welche an die Feuersicherheit des Hauses verschärfte Anforderungen stellten.
Im kleinen Theater des Schauspielhauses in Berlin wurde das Parkett von 400 auf 600 Plätze erweitert.
Das Goethe-Theater in Berlin eröffnete am 20. Oktober, nach Umbau des ehemaligen Gemeindehauses der französisch reformierten Gemeinde, eine neue Spielstätte. Die Bühne 72 qm Grundfläche; der Zuschauerraum 600 Plätze im Parkett und 250 in einem neu eingebauten Rang. Dem Bühnenhaus wurde ein dreistöckiger Anbau angefügt mit geräumigen Garderoben, Arbeitssälen, Kulissenhaus usw.
Der Umbau des Alten Stadttheaters in Chemnitz wurde vollendet. Die Errichtung eines völlig neuen modernen Theaters scheiterte an den Kosten. So wurde das Alte Stadttheater mit einem streng begrenzten Budget von 953.000 Goldmark nach neuesten Erkenntnissen modernisiert. Im alten Theater bekam das Schauspiel sein Domizil, das bestehende Neue Theater wurde von der Oper bespielt und das so genannte Zentraltheater Chemnitz diente der Operette.
Der Danziger Senat stellte für den Haushaltsplan des Folgejahres (1925) einen Betrag von 100.000 Gulden als Rücklage für einen Theaterneubau ein. Darüber hinaus sollten die Ersparnisse im Haushaltsplan des bisherigen Stadttheaterbetriebes ebenfalls als Rücklage diesem Fond zugeführt werden.
Die Stadtverordneten in Essen beschäftigten sich ernsthaft mit dem Plan für ein neues Stadttheater, weil das derzeitig bestehende Haus, der sogenannte GRILLO Bau, in keiner Weise mehr ausreichte.
Die Theaterkommission der Stadt Görlitz beschloss im Stadttheater die Bühne mit neuer Beleuchtungsanlage, einem Rundhorizont und neuer Versenkungsanlage auszustatten. Die Arbeiten wurden in drei einander folgenden Bauabschnitten durchgeführt. Die Umbauten erfolgten nach Plänen des Berliner Technischen Direktors Georg Linnebach.
Nach dem Brande des Stadttheaters in Lüneburg 1921 erhielt die Stadt nach Plänen des Lüneburger Architekten Reith jetzt ein modernes neues Theater mit ca. 1000 Sitzplätzen, das zu Beginn der Spielzeit im Herbst eröffnet wurde.
Nach Plänen des Theaterarchitekten Lotz soll in der Nymphenburger Vorstadt Münchens eine neue Bühne gebaut werden, welche den Namen Theater des Westens erhalten soll. Dieses Theater ist als Volksoper (wahrscheinlich nach Berliner Vorbild) gedacht und soll auch für Operetten genutzt werden. Die technischen Einrichtungen sind dergestalt geplant, dass auch Filmvorführungen dort stattfinden können. Baubeginn soll der Herbst sein.
Das Stadttheater Mönchengladbach wurde durch Einbau eines Rundhorizontes, einer modernen Beleuchtungsanlage sowie die Einrichtung einer Vorbühne einer umfassenden technischen Reform unterzogen.
Die Stadt Neuss am Rhein liess das Zeughaus, ein 1633 als Kirche entstandener Bau, welcher unter Denkmalschutz stand, zu einem Theater- und Konzertsaal umbauen. Der ehemalige Chorraum wurde Bühne und Konzertpodium; das Kirchenschiff zum Zuschauerraum mit 750 Sitzplätzen. Das Äußere des Baues wurde restauriert.
Am 19. September wurde in Pforzheim das völlig umgebaute Viktoriatheater als städtisch subventioniertes Schauspielhaus eröffnet. Unter Leitung von Dipl.-Ing. Walther Unruh, welcher seit 1923 als Betriebsinspektor am Badischen Landestheater in Karlsruhe tätig war, wurde der Gesamtumbau der Bühne, welche eine völlig neue Obermaschinerie, Rundhorizont, Portalbühnenrahmen und neuzeitliche Beleuchtungsanlage erhielt, geplant und geleitet.
In Reydt beschloß, unter Teilnahme der Stadt, eine Vereinigung von Bürgern den Bau eines Stadttheaters. Die Hälfte der dafür erforderlichen Bausumme von 1,5 Millionen Goldmark wurde bereits von den Bürgern aufgebracht.
In Schreiberhau wurde ein neu erbautes Theater mit 500 Plätzen in Betrieb genommen.
In Sorau wurde ein ständiges Theater durch den Umbau eines dort vorhandenen ehemaligen Lichtspielhauses geschaffen. Die Bühne wurde mit den zu der Zeit modernsten technischen Einrichtungen ausgestattet.
In Tecklenburg wurde das Freilichttheater mit 2400 Plätzen mit Wilhelm TeIl eröffnet.
Das Schauspielhaus Düsseldorf und das Städtische Schauspielhaus Köln schlossen sich zu künstlerischer und technischer Gemeinschaftsarbeit zusammen. Trotz Wahrung der Eigenständigkeit, sollte nicht nur ein künstlerischer Austausch, sondern auch eine wechselweise Überlassung von Dekorationen erfolgen.
Während sich die wirtschaftlichen Verhältnisse beruhigten blieben die politischen Zustände doch instabil.
Am 8. Januar 1924 erfolgte der Prozeß wegen Hochverrates gegen Hitler und seine Beteiligten unter Bezug auf den Putsch vom 8./9. November 1923. Es erging ein Urteil gegen Hitler auf 5 Jahre Festungshaft (in Landsberg). Er verbrachte jedoch nur 9 Monate in milder Haft und wurde dann vorzeitig entlassen. In seiner dortigen Haftzeit schrieb er das Buch: Mein Kampf, die spätere Pflichtlektüre der Nationalsozialisten.
1924 fanden zwei Reichstagswahlen statt, weil sich die politischen Kräfteverhältnisse ständig verschoben, und die daraus folgenden Regierungsbündnisse der realen Wirklichkeit nicht standhielten. Der damals zweite Reichstag wurde am 4. Mai und der darauf folgende dritte am 7. Dezember gewählt und instituiert.
(Fortsetzung folgt)
Text und Bilder: Hubert Eckart