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Freundlichkeit, Höflichkeit und Gelassenheit
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen.
Der angebornen Farbe der Entschließung
wird des Gedankens Blässe angekränkelt,
und Wagestücke hohen Flugs und Werts,
durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
verlieren so der Handlung Namen.
Hamlet (wer sonst?!)
Die Aufregung ist immer groß. Keine Mücke ist klein genug, um nicht bei erstbester Gelegenheit zum Elefanten zu mutieren. Die wirklichen Tugenden wie Gelassenheit, Freundlichkeit und vor allem Höflichkeit sind bei den grundlegenden und fast religiösen Rechthabern in die vierte Reihe gerutscht. Warum sage ich das? Weil ich gestern noch Bier holen war. Dort war eine freundliche Verkäuferin, die an der Kasse bei warmen 29 Grad ihren Dienst tat. Als ein Mann fragte, ob er seinen Pfandbon einlösen könne und ich bejahte und sagte, er solle nach vorn gehen, fragte sie erst die restlichen Leute, ob das denn in Ordnung sei?
Als letzter in Reihe und kurz vor Ladenschließung erzählte sie mir dann mit welchen Wutausbrüchen sie täglich umgehen müsste und das seit Corona die Nerven bei einigen Leuten so derart blank liegen, dass man es manchmal mit der Angst zu tun bekäme.
Meine undemoskopische Umfrage seither (Schaffner, Zugpersonal und Kellner) ergab ähnliches. Alle sagten, die meisten seien nett, die Bösen aber sehr viel böser als vor Jahren.
Nichts ist so einfach wie freundlich zu sein! Vor allem, wenn – was fast immer passiert- einem Freundlichkeit zurückgesendet wird. Die meisten schlimmen Dinge passieren durch einen Mangel an Anstand, sagte mein Großvater. Und recht hatte er.
Wir brauchen eine weltweite Initiative der höflichen Gelassenheit. Eine Gelassenheit, die uns Dinge angehen lässt und bei der wir partnerschaftlich an gemeinsamen Zielen arbeiten: z. B. an Nachhaltigkeit, dem gefühlten Aufregerthema der deutschen Theater. Wenn wir es jetzt nicht umgehend richten, so der strenge Tenor, enden wir im apokalyptischen Dekobau in der Vorhölle der misslungenen Transformationen.
Das sagen uns oft wenig höflich eingesetzte Transformationsmanager:innen, die mit ihrem Jodeldiplom und keinerlei Kenntnissen der Arbeit im Theater mit erlernten Standard-Vorschlägen die Theaterarbeit meist nur behindern.
Achso, ich will wirklich freundlich und höflich bleiben, aber ihr müsst uns noch Theater spielen lassen. Sollte ich leidenschaftlich werden, dann nur, weil ich das nach wie vor für unsere wichtigste Aufgabe halte.
Damit beides zusammenkommt, werde ich bewusst freundlich, aber auch höflich und gelassen weitermachen.
Und an alle gerichtet: Benehmt Euch im Getränkemarkt, wenn euer Lieblingswasser gerade aus ist! Kauft einfach Bier – es ist schließlich Sommer!
Eine gute Zeit Euch allen.
Text: Wesko Rohde – Vorstandsvorsitzender DTHG e.V.