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17. Januar 2023
Prolight + Sound 2023: Opus Award für „Pandaemonium“ am Staatstheater Kassel
24. Januar 2023Vor 100 Jahren – 1923 (1)
Zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen, 40 Jahre geteiltes Deutschland und die Coronavirus-Pandemie: Das alles hat die DTHG überlebt. 1907 von theatertechnischen Enthusiasten gegründet, erlebt der Verband derzeit eine Renaissance. Aber wie war es vor 100 Jahren? Hubert Eckart, Autor der zweibändigen Chronik der DTHG, erzählt in dieser Rubrik die Geschichte der DTHG noch einmal.
1923 Die Zeit der großen Inflation
Die Annahme, dass früher alles besser war, sagt sich so leicht dahin, jedoch zutreffend ist sie selten. Das Jahr 1923 sollte mit Krisen und Herausforderungen nicht sparen, obwohl die Menschen nur vier Jahre nach dem Ende des I. Weltkrieges sehnsüchtig auf die „Goldenen Zwanziger“ warteten. Doch es kam erst einmal anders: Frankreich besetzte das Rheinland auf Grund ausgebliebener Reparationszahlungen, die Inflation erreichte ihren Höhepunkt (1 Dollar kostete 4,2 Billionen Reichsmark), Hitler und Ludendorf unternahmen einen Putschversuch in München, für den Hitler ein Jahr ins Gefängnis musste, Miguel Prima de Rivera gelang sein Staatsstreich in Spanien erfolgreich und errichtete die Miltiärdiktatur, Litauen besetzte das Memelland.
Das Theaterleben und die Aktivitäten der DTHG trotzten den Umständen so gut wie möglich. Die Modernisierung der Theatertechnik in Deutschland, umfangreiche Neubauten und Sanierungen schritten unbeirrt voran.
Friedrich Hansing schreibt im Heft 1 der Bühnentechnischen Rundschau im leichten Ton der Verwunderung, dass Frankreich erst jetzt zum ersten Mal ein Theater mit einer Drehbühne ausgestattet habe: das Grand Theatre in Lyon.
Allerdings waren Regisseure und Kritiker sich einig, dass es sich um Pfusch handelte: Kritiker beanstandeten, dass während der Vorstellung auf dem dem Publikum abgewandten Teil, die Theaterhandwerker beim Umbau der Szene zuviel Geräusch gemacht hätten. Regisseure beanstandeten, dass obwohl die Dekorationen innerhalb von nur drei Minuten vollständig stehen, eine Pause von einer Viertelstunde eingelegt werden müsse, damit Künstler und Orchestermitglieder sich zwischen den Akten etwas erholen könnten. Außerdem seien großräumige Szenen auf der Drehbühne völlig unmöglich. Trotz dieser Mängelbekundungen hat sich auch in Frankreich die Drehbühne sowohl als dramaturgisches Spielmittel als auch als Verwandlungshilfe im Laufe der folgenden Jahre erfolgreich durchgesetzt.
Ganz anders in Deutschland:
Die neue Oper am Königsplatz in Berlin, die auf dem Gelände und unter Umbau des alten Kroll‘schen Theaters entstanden ist, wurde am 1. Januar eröffnet. Den Bau leitete Architekt Kauffmann, der Erbauer der Komischen Oper. Die technischen Einrichtungen projektierte der Technische Direktor der Berliner Staatsoper Unter den Linden Georg Linnebach. Der Zuschauerraum faßte 2400 Plätze, war also nächst dem Großen Schauspielhaus einer der Größten Berlins. Das Bühnenhaus und die Hinterbühne waren etwa 25 Meter tief (von der Rampe zur Rückwand gemessen) und 24 Meter breit, dazu kamen noch die Seitenbühnen mit zusammen 30 Metern. Es wurde das System einer Schiebebühne verwendet, um die Dekorationen der Staatsoper mit benutzen zu können. Der Orchesterraum bestand aus drei versenkbaren Abschnitten.
In einer anderen Meldung hieß es:
Am Bahnhof Friedrichstraße wurde das Theater im Admiralspalast für die Revue großen Stils eröffnet. Der Zuschauerraum mit 3000 Sitzplätzen stellte damit Berlins größtes Revuetheater dar. Die bisherige Bühne des Admiralspalastes wurde der neuen Verwendung entsprechend umgebaut. Das Theater wurde ursprünglich im Jahr 1911 als ein Theater für Operette und Singspiele eröffnet. 1918 wurde es geschlossen und nach der Übernahme durch neue Betreiber für deren Zwecke umgebaut.
Im Klindworth-Scharmenka-Saal wurde eine neue Bühne mit 700 Sitzplätzen als *Theater in der Lützowstraße* eröffnet. Im Schwechtensaal wurde eine neue Bühne unter dem Namen *Das Theater* eröffnet.
Das sind allein vier Theater in Berlin und das auf „einen Streich!“
Das neue Friedrichstheater in Dessau, welches das abgebrannte Dessauer Landestheater ersetzen sollte, wurde soweit fertiggestellt, dass es am 1. Februar eröffnet werden konnte.
Unter dem Namen Kleines Lustspielhaus wurde in Hamburg am 1. März in den Räumen des früheren Kleinen Theaters eine neue Bühne eröffnet.
Das Kurtheater in Ober-Schreiberhau im Riesengebirge wurde vollständig umgebaut, Zuschauerraum sowie Bühne vergrößert und mit einem Orchestergraben ausgestattet.
Der Nürnberger Stadtrat beschloß, das alte Stadttheater, einen hübschen Empirebau, auszubauen und als Städtisches Schauspielhaus umgehend in Betrieb zu nehmen. Im Landestheater in Oldenburg wurden während des Sommers die Bühne und der technische Apparat neu gestaltet. Ein Rundhorizont wurde unter Leitung des Direktors Hasait vom Dresdner Opernhaus eingebaut. Das Kammerspielhaus im Festsaal des ehemaligen großherzoglichen Schlosses sollte im Herbst fertiggestellt werden. Eine neue Industriestadtbühne in Oberhausen entstand Ende September durch die Vollendung des Stadttheaterumbaus.
Zum ersten Mal: Konstruktionen aus Aluminium!
Am Theater in Chemnitz wurden zum ersten Mal Dekorationen aus Aluminium hergestellt – und zugleich patentrechtlich geschützt (!).
Opern-Spielleiter Hans Eberhard hatte die Idee dazu, da Aluminium kostengünstiger als Holz und zudem nicht brennbar war!
Er schreibt dazu:
„Bei den Dekorationen aus Holz und Leinwand ist es nie zu vermeiden, dass die Wände beim Öffnen und Schließen von Türen heftig wackeln, vollends große Räume und Zimmer sehen scheußlich aus, wenn ihre Wände wie Fahnen im Winde flattern.“
So viel technischen und ökonomischen Sachverstand wünscht man sich heute bei so manchem Regisseur sicherlich vergebens.
(wird fortgesetzt)