
Nachbericht – EXEMPLAmünchen 2025 –
19. März 2025
Nachbericht: DTHG Regionaltagung am 21.03.2025 in Memmingen
1. April 2025
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Man muss bedenken, dass unter den Menschen gar viele sind,
die doch auch etwas Bedeutendes sagen wollen, ohne produk-
tiv zu sein, und da kommen die wunderlichsten Dinge an den
Tag.
Goethe
Ich glaube ja nicht, dass es Absicht war, aber nichts hat dem gemeinen Leserbriefschreiber solche Entwicklungshilfe verabreicht wie das gemeine Internet. Klar, das wird sich nicht durchsetzen, und es ist und bleibt eine Eintagsfliege. Dennoch!
Das Leserbriefschreiben hingegen war ja früher etwas für ältere halbgebildete Neulehrer, die ein Bein in Russland verloren hatten. Wem der Stammtisch zu feuchtfröhlich und zu prollig war, der schrieb an die Kreiszeitung seine von Bedeutung schwangere Einlassung, setzte seinen Namen drunter und war an diesem Tag in der Gemeinde berühmt und angesehen wie der Pfarrer oder die Gemeindeschwester.
Beim Hofrat in Horvaths “Italienischer Nacht” klingt es wie folgt: “Solange ich der Vorsitzende des hiesigen Kaninchenzüchtervereins bin, kann die Republik ruhig schlafen!”
Leserbriefe in Kreiszeitungen gibts zwar noch, aber sind allgemein nicht mehr so angesagt- ähnlich wie die Kreiszeitung und das Schweinepreisschießen.
Im großen Haus der elektronischen Bedeutsamkeit aber, da wimmelt es nur so von Leserbriefschreibenden, die hier allesamt Einflußnehmende sein wollen, aber meist Einfließende sind und im Geiste da Vincis „lediglich die Latrinen befüllen“.
Das aber für die Ewigkeit- nicht universell, aber in unseren Zyklen gemessen schon. Das war seinerzeit also wohl eher ein Vorteil, dass die Zeitung am Folgetag im Mülleimer am Boden lag. In 200 Jahren kann sich eine Urururenkelin eines Schreibenden noch nachträglich in Grund und Boden schämen und eine Behörde zu Ahnenstigmatisierung steckt sie gleich in die unterste Kaste oder Schublade. Alles keine schönen und schon gar keine milden Aussichten.
Soviel zur Theorie oder zur Zukunft des Leserbriefes 2.0.
Der Stammtisch erstreckt sich auf Elons Gesinnungsdusche genauso wie auf den Fachberuf. Gerade in beruflichen Portalen machen sich die unvermeidlichen Berater der Generation Praktikum auf, jeden unserer Schritte zu optimieren. Gleichwohl, erledigt werden die Dinge nur im Reden, nicht in echt. Schlecht also, will man ein Loch im Topf oder im Dach stopfen.
Nehmen wir an, das berühmte Theater Maiblume hat ein Loch im Dach und das soll repariert werden. Die Theaterleitung sucht händeringend nach einem Handwerker, findet auch einen. willigen Menschen. der hat aber frühestens Montag Vormittag Zeit, es ist Freitag- nur zur Erinnerung. In ihrer Verzweiflung wendet sich die Leitung an die vielen Menschen, zu denen sie eine so innige elektronische Verbindung haben.
Dort wird sie sofort fundiert fündig:
Der Chief Roof Strategy Officer (CRSO) – entwickelt langfristige Dachdecker-Strategien, war aber noch nie auf einem Dach: „Wir müssen eurer Loch im Dach ganzheitlich neu denken und auf eine zukunftssichere Meta-Ebene heben.“
Das kann man so nicht stehen lassen. Wo bleibt der Handwerker?
Der Sustainable Roofing Consultant – setzt sich für umweltfreundliche Dachziegel ein, hat aber Höhenangst: „Die Frage ist nicht, ob wir für das Theaterdach nachhaltige Ziegel brauchen, sondern ob die Ziegel selbst eine nachhaltige Erfahrung auf dem Dach machen werden.“
Im Ansatz unbedingt richtig, aber seiner Zeit weit voraus. Apropo Zeit- Montag?
Die Diversity & Inclusion Managerin im Dachdeckerhandwerk – analysiert, ob die Dachdeckertruppe eine ausreichende Diversität aufweist: „Ihr solltet sicherstellen, dass sich auch Nicht-Dachdecker im Dachdeckereiberuf repräsentiert fühlen?“
Nun ist aber gut. Schafft uns lieber mal einen Handwerker bei!
Der Dachdeckerei-Nachhaltigkeitsbeauftragte – erstellt umfassende Konzepte für die CO₂-neutrale Dachdeckung, lebt aber selbst in einer Dachgeschosswohnung mit Schimmelbefall: „Das Theaterdach ist mehr als nur Schutz – sie sind ein Mindset.“
An seiner Stelle würde ich auch so denken. Das Theater kauft Schirme, falls es regnet.
Einen echten Dachdecker findet man in den Portalen nicht, die haben keine Zeit oder stopfen das Loch im Dach des Theaters Maiblume nach wie vor fachgerecht. Danke an die Handwerkskammer und die Innungen. Danke an Radio Bollerwagen, das auf jeder Baustelle die Schlagersender ablösen hilft.
Danke an alle Dachdecker, die trotz der ganzen Schwätzer nicht die Lust verlieren. Schlimm wird es erst, wenn es ein Schwafelportal für Handwerker geben sollte- dann sehe ich schwarz für regenfreie Indoor- Theaterabende und so weiter…
Ein Hoch auf das Handwerk und die Handarbeit. Auch der gute und leckere Kartoffelkloß entsteht nur durch das richtige Rollen.
Bei dem Loch können wir leider nicht helfen, wartet also bis Montag. Eine Frage: Diesen Montag?
Das ist mein erster Leserbrief.
Wesko Rohde