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Heureka! Umbenennen statt fertig machen oder: die Heinzelmännchen sind zurück
Köln hat es geschafft! Nicht etwa die Oper. Oder das Schauspielhaus.
Aber etwas viel Größeres: ein generell neues Denken. Von ganz tief unten! Und aus Tradition.
Nach nur fünfzehn Jahren, Milliardenkosten, Planungsdesastern, Bürgerprotesten, Abriss der Baustelle, Wiederaufbau, erneutem Stillstand und der üblichen rheinischen Gelassenheit ist man endlich zu einem Ergebnis gekommen: Es wird einfach nicht mehr gebaut, sondern umbenannt.
Warum auch mühsam etwas fertigstellen, was sich mit Worten genauso gut erledigen lässt? Sprache schafft Realität – das weiß man in Köln spätestens, seit man den Begriff „Spielplatz“ nicht mehr für Kinder benutzen möchte, sondern in „Aktionsfläche für bewegungsorientiertes Kindergeschehen im urbanen Sozialgefüge“ umzuwidmen wünscht.
Was liegt da näher, als auch die unendliche Geschichte um die Kölner Oper elegant zu beenden? Die Lösung ist bestechend einfach: Man nimmt irgendein Gebäude, das tatsächlich fertiggestellt wurde – in diesem Fall eine frisch sanierte öffentliche Toilette in der Nähe des Heumarkts –, und benennt es kurzerhand um.
Aus der Toilette wird die Oper Köln.
Noch ist sie unbenutzt, also jungfräulich wie eine frisch komponierte Partitur. Jetzt oder nie! Mit einem kleinen Festakt wird die Eröffnung zelebriert: Die Oberbürgermeisterin schneidet ein rot-weißes Klo-Band durch, die Kölner Philharmonie spielt auf Dixieklobrillen eine eigens komponierte „Ouvertüre zur Verklärung des Scheins“, und das Presseamt verkündet voller Stolz: „Die Oper ist fertig!“
Der Applaus im Rathaus ist groß – mit Betonung auf „bricht“. Auch ein Spielplan ist bereits in Arbeit: „La Traviata“ wird in der Damentoilette aufgeführt, wegen der besseren Akustik. „Der fliegende Holländer“ in der Herrenkabine – hier geht’s ohnehin oft stürmisch zu und es gibt eine Grundrauschen wie am Atlantik. Für Schulklassen ist „Hänsel und Gretel“ in der Familienkabine mit Wickelbereich vorgesehen. Einziger Wermutstropfen: Der Opernchor muss vor Probenbeginn jeweils einen Euro einwerfen, allerdings nicht stimmlich, sondern mit passenden Münzen. Da wird es Konflikte geben, aber wer wird an dieser Stelle der Eröffnung der neuen Oper im Wege stehen wollen? Eventuell ist ja Homeoffice möglich? Aber nicht, dass einer krank wird?!
Das Ganze wird als innovative Form partizipativer Kulturfinanzierung verkauft. So löst Köln gleich zwei Probleme auf einen Streich: Die Oper ist fertig – und sie musste nicht (fertig) gebaut werden.
Das ist wahre städtische Nachhaltigkeit.
Man nennt es kreative Dekonstruktion.
Und wer braucht schon Zuschauerraum, wenn man endlich wieder das Wichtigste hat: eine Pressemitteilung mit Erfolgsmeldung.
Schlecht ist nur für die vielen Baufirmen, die nach Jahren harter Nachträge und steter Generierung neuer Geldquellen quasi über den Sanitärbereich gestolpert sind und nun auf dem Trockenen sitzen.
Das nenne ich mal Ironie des Schicksals.
Wesko Rohde